review – The Sweet

„The Sweet“ am Sonnabend, 7. Oktober in der Kartoffelhalle in Hohenlockstedt:

Hohenlockstedt – Wow, die Band, die ich aus meiner Kindheit aus dem Radio kannte, noch einmal live hören und sehen! Das wäre schon so viel retro, dass es weh tut. Ok., es ist nur noch einer der Originalmusiker der Glam Rock-Band „The Sweet“ aus den 70er Jahren übrig, der mit ihr jetzt auf Revivaltour ist.

Und es soll laut ihrem Titel „The final round Tour“ auch ihre letzte sein. Was man davon zu halten hat, weiß man von anderen Bands wie den Rolling Stones, die schon seit Jahrzehnten auf Abschiedtour sind. Aber schön, dass sie wenigstens herkommen. Man muss ja schon damit zufrieden sein.

Gitarrist Andy Scott (74) ist immerhin einer der entscheidenden Musiker der Formation und damit lebende Legende. Seine Musik hat wohl jeder – auch Jüngere – irgendwo schon einmal gehört oder kann sie sogar mitsingen oder -summen, so eingängig, wie sie ist.

Damals in meiner Kindheit begann ich gerade, mich für Musik zu interessieren und hörte jeden Sonntag Mittag die „Internationale Hitparade“ mit Wolf-Dieter Stubel auf NDR II. Da wurden Songs auch wie die von „The Sweet“ rauf und runter gespielt in einer Reihe mit Bands wie „Slade“, „T-Rex“, „Status Quo“. Und da hatten „The Sweet“ jahrelang mit ihren verschiedenen Songs verlässliche Hits, die manch Ältere zuweilen als „schreckliches Gejaule“ bezeichneten. Dann mussten sie ja gut sein…

Zugegeben, bei einigen Songs klangen sie schon sehr schräg. Unterlegt etwa mit einer Sirene wie bei „Blockbuster“, konnte das für unbedarfte Zuhörer auch ganz schön abschreckend wirken. Aber eingängige Titel wie „Wig Wam Bam“, „Little Willy“ oder „Fox on the run“ summten sie dann doch mit, und der wahre Rock’n’Roll-Kenner ist über solcherlei Kritik ja sowieso erhaben.

Wig Wam Bam! Da waren sie wieder, die 70er: „The Sweet“ live in der Kartoffelhalle in Hohenlockstedt mit (v.l.) Originalgitarrist Andy Scott, mit seiner Gitarre, mit Bassist Lee Small und mit Sänger Paul Manzi. Fotos: Ludger Hinz

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Für den Star des Abends, Andy Scott selbst, musste der Auftritt in der Kartoffelhalle nun wie ein Auftritt auf einem anderen Stern gewirkt haben. Selbst waschechter Engländer, der in allen großen Metropolen sowie im Fernsehen aufgetreten ist, musste er nun im unbekannten, ländlichen Schleswig-Holstein gefühlt stundenlang durch die düstere, regengraue Gegend fahren, bevor er an einer wie ein Lagerschuppen aussehenden Halle abgesetzt wird, in der sein Auftritt statt finden sollte – das konnte ihn ja zunächst mal bestenfalls verwirren.

So wurde er an diesem Abend mit dem Wagen vom Manager bis direkt vor die Kartoffelhalle gefahren, steigt aus, kriegt seine Gitarre umgehängt, geht auf die Bühne, absolviert sein Konzert – und wird dann sogleich wieder abgefahren.

Selbst für die anwesende Presse: kein Gespräch, kein Interview, kein Kontakt! Ok., bei dem schmuddeligen Nieselregenwetter auch keine reine Freude, mitten in der Provinz im Dunkeln spielen zu müssen. Dafür hat er dann aber doch ein feines, technisch reines und fröhliches Rock-Konzert aufs Parkett gelegt und gezeigt, dass der Zahn der Zeit noch nicht allzu sehr an ihm genagt hat. Überrascht war er sicherlich über die technischen und sonstigen Voraussetzungen, die ihm dort geboten wurden.

Die Zuhörer, die wohl ihre Jugend größtenteils selber noch in den 70ern verbracht haben, erhielten mit dem Konzert die Gelegenheit, noch einmal die Songs der Glam Rock-Band live zu hören und damit dieses Jahrzehnt wieder aufleben zu lassen – herrlich! Und dafür mussten sie ihrerseits ja nicht mal nach Hamburg oder Kiel, sondern hatten es direkt vor der Haustür.

Da kamen für viele Erinnerungen an ihre Kindheit oder Jugend wieder zurück, die sie teilweise wohl schon längst verdrängt oder zumindest vergessen hatten. Dafür war „PEP“ extra wegen der zu erwartenden Besucherströme umgezogen. Selbst in der Hohenlockstedter Kartoffelhalle rannten die Gäste dem Veranstalter nun geradezu die Türen ein.

In einer pickepackevollen Halle wollten alle dabei sein, als „The Sweet“-Gründungsmitglied und Gitarrist Andy Scott die alten großen Chartsongs von vor fast 50 Jahren intonierte. Die Halle so voll wie nie, mehrere Hundert Besucher hatten sich sogar teilweise entsprechend ge- oder auch ver-kleidet. Wie etwa eine siebenköpfige Gruppe aus Sarlhusen, von denen jeder einzelne einen Buchstaben des Bandnamens auf das T-Shirt genäht hatte und sich dieser erst ergab, als alle in der richtigen Reihenfolge nebeneinander standen.

Szenen eines Konzerts (v.l.): beliebtes Handy-Motiv, Bühnen-Beleuchtung und Fan-Begeisterung. Fotos: Ludger Hinz

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Gemeinsam mit seiner Band aus Sänger Paul Manzi („der beste Gesang, den der englische Rock derzeit zu bieten hat“), Schlagzeuger Bruce Bisland („schon seit 30 Jahren dabei“) und Bassist Lee Small brannte Andy Scott dann tatsächlich eineinhalb Stunden lang ein Rock-Pop-Feuerwerk ab, das jeden mitriss. Das bekamen auch die Getränke- und Biertresen im hinteren Teil der Halle zu spüren, bei denen der Strom an Kundschaft den ganzen Abend nicht abriss.

Bei Songs wie „Teenage Rempage“, „Fox on the run“ und „Hellraiser“ sangen die Zuhörer dann aus voller Kehle mit, gefolgt von weiteren Mitsing-Hits wie „Love is like oxygen“ oder „Wig Wam Bam“. Das alles untgerlegt mit einer unaufgeregten bunten, soliden Lightshow, die die Band ins richtige Licht rückte.

Und als dann ihr Song „Blockbuster“ mit einer heulenden Sirene eingeläutet wurde, da war die Stimmung auf dem Höhepunkt. Dem musste die Band nur noch mit „Ballroom Blitz“ als Zugabe die Krone aufsetzen. So war der Protagonist des Abends schließlich auch voll des Lobes fürs Publikum: „You are fucking brilliant!“ („Ihr seid verdammt toll!“), so sein abschließend schmeichelndes Urteil. Auch wenn er das wahrscheinlich zu jedem Publikum sagt: Danke für die Blumen!

Zu bemerken war hier auch die absolut friedliche Stimmung beim Konzert. Keine Aggression, selbst bei gestiegenem Bierkonsum im Laufe des Abends, keine Geschubse und Gedrängel, sondern alles absolut friedlich – das muss in so einer großen Halle erst mal seine Nachahmer finden.

Nicht nur viel zu hören, auch einiges zu betrachten: Designte Logos von „PEP“- und „The Sweet“ waren an diesem Abend überall zu finden. Fotos: Ludger Hinz

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Da „PEP“ aber auch immer darum bemüht ist, lokalen Bands eine Bühne zu bieten, wie der Vorsitzende Oliver Zantow schon zu Beginn auf der Bühne sagte, hatte der Itzehoer Musiker Moritz Kruit mit seiner Band als Vorgruppe keine Probleme, das Publikum schon einmal einzustimmen. „Nach anfänglicher Zurückhaltung gingen sie voll mit“, freute sich der Sänger. „Es ist für uns die Pole Position, als Vorband für ,The Sweet‘ aufzutreten.“

Ludger Hinz