Review – „Saitenfest“ – 2022

Kraftvolle Ruhe (im Karton)

In der Ruhe liegt ganz oft – und manchmal auch bei „PEP“ – die Kraft. Nach zwei Jahren Pause richtete der Kulturverein deshalb nun wieder sein kleines, aber feines und beinahe intimes Konzert aus, mit dem er einmal im Jahr eher ungewöhnliche Pfade beschreitet.

Im Alten Pastorat in Stellau/Wrist waren wieder zwei Virtuosen an der Akustikgitarre zu Gast. Das „Saitenfest“ 2022 gestalteten die Gitarristen Hans-Friedrich Pfeiffer („PEP“) und André Krikula. Beide waren hier bereits vertreten und traten mit ihrem Programm an der brasilianischen Gitarre auf.

Diese Konzertreihe ist eine eigene Erfindung von „PEP“, eine Art meditativer Musikstunde, und schon seit ziemlich langen Jahren ist sie für Kenner und Liebhaber eine besondere Erfahrung. Zwischen den vielen Folk-, Rock- und Blues- Konzerten mit elektrischen Gitarren und viel Verstärkermusik im Laufe des Jahres bietet der Kellinghusener Kulturverein hier einmal eine Insel im wogenden Meer der laut verstärkten Musikinstrumente.

Dafür fahren die Zuhörer sogar einmal ein paar Kilometer weiter aus Kellinghusen heraus – stranden wie Robinson einen Abend lang auf einer Insel der Ruhe. Denn für das Konzert der leisen Töne ist vor allem eines entscheidend: das Ambiente.

Nach dem heißen Sommer mit viel Sonne und Hitze und Aktivität an der frischen Luft hat nun der Herbst mit Wolken, Wind und Regen Einzug gehalten – mit dunklen Nächten, die immer früher am Abend schon beginnen.

Und pünktlich zum Saitenfest war es wieder soweit: Ein atlantisches Sturmtief brachte jede Menge davon nach Norddeutschland. Das bot die geeignete Atmosphäre für eine reduzierte Umgebung ohne viel Schnickschnack, in der es letztlich tatsächlich auf die Musik ankommt. Hier konnte man kontemplativ versinken.

Dafür sorgt schon der beinahe spartanische Saal im Alten Pastorar mit viel rustikalem, ursprünglichen Holz an Wand und Decke und jeder Menge nostalgischem Ambiente der inneren Einkehr.

Nach zwei Jahren Pause durfte man nun gespannt sein, ob die Besucher den Geist dieses kleinen Festivals immer noch verinnerlicht haben. An diesem Abend hatten die Organisatoren dem noch einen weiteren Aspekt hinzugefügt.

Anders, als in den Vorjahren war die Bühne nicht am Kopfende des Saals aufgestellt, sondern die Gitarristen nahmen an der Längsseite des Raumes Platz, und das Publikum wurde im Halbkreis drumherum platziert; das Ganze von zwei Seiten von Scheinwerfern beleuchtet.

So wurde die Intimität noch weiter verstärkt, und jeder Zuhörer hatte je nach Gusto gleich viel Abstand oder Nähe zum Musiker. Wieder konnte man in dem mit 35 Gästen ziemlich gut gefülllten Konzertsaal vor Konzentration und gespannter Ruhe beinahe die berühmte Stecknadel fallen hören. So mancher mag sich etwas profaner auch gedacht haben: Endlich ist mal Ruhe im Karton.

Denn es präsentierten sich zwei Virtuosen an der Akustikgitarre, die nicht nur ihr Handwerk verstehen, sondern es zu einer großen Kunstfertigkeit entwickelt haben. Im Mittelpunkt des Abends stand vor allem die brasilianische Gitarre, die beide auf gehobenem Niveau beherrschen.

Einer war der Gitarrist Hans-Friedrich Pfeiffer aus Wrist, der zuerst auftrat. Selber Mitglied bei „PEP“, ist er seinerseits beratend tätig oder nimmt die Auswahl des Abends gar selber vor. Er spielt seit über 55 Jahren Gitarre, seit Mitte der 70er Jahre hat er sich auf die brasilianische Version des Saiteninstruments spezialisiert.

Basierend auf seinem Vorbild, dem brasilianischen Gitarristen Baden Powell (Roberto Baden Powell de Aquino, 1937 bis 2000) – nicht zu verwechseln mit dem britischen Gründer der Pfadfinderbewegung (Robert Stephenson Smyth Baden-Powell, 1857 bis 1941) spielte er hier in seinem neuen Programm eigene Kompositionen, die auf seinen Reisen in Brasilien entstanden.

Passend dazu trat im zweiten Teil André Krikula mit seinem Programm „Brazilian Guitar & Voice“ auf, der in Hamburg und Rio de Janeiro Musik studiert hat und seit vielen Jahren unterschiedliche musikalische Projekte leitet. Gemäß auch seines Vorbildes Baden Powell schlug er die Gitarre wie Percussions an.

So setzten beide ihre fingerfertige Virtuosität in gefühlvollen Gitarrenballaden und rhythmischen Sambas um – Genres der Musik, die für hiesige Ohren auch wegen ihres Gesangs in portugiesischer Sprache erst einmal ungewohnt erscheinen. Aber nachdem man sich nach einer Weile eingehört hat, fühlt man sich in diese Art der Kunstfertigkeit ein.

Selbst einige außerplanmäßige Probleme mit der Technik brachten vor allem André Krikula nicht aus dem Konzept. Da sich die Musiker an diesem Abend aus technischen Gründen selbst abmischten, musste er einige kleine Aussetzer des Verstärkers alleine beheben.

Hatten die „PEP“-Organisatoren zuvor nicht ganz einschätzen können, wie die Resonanz nach zwei Jahren Pause ausfallen würde, so war „PEP“-Vorsitzender Oliver Zantow dann doch beruhigt. Der gute Besuch des Abends führte dazu, dass draußen an der Straße und auf dem Parkplatz kein Platz mehr frei geblieben war.

Das wiederum führte er unter anderem auf die neu gestaltete Homepage des Vereins zurück, die übersichtlich, schnell und einfach die wichtigsten Funktionen erfüllt und vor allem eine sofortige Kaufoption eines Tickets ermöglicht. Einige hatten sich ihr gerade gekauftes Eintrittsbillett tatsächlich ausgedruckt und waren damit am Eingang erschienen – was Oliver Zantow ein anerkennendes Nicken entlockte.

Ludger Hinz