review – Octavians

Kellinghusen – Nanu? Gesang wie von den „Comedian Harmonists“ – und das in der besonderen Akustik der St. Cyriacus-Kirche? Das hörte sich doch nicht wie das schlechteste Angebot an. Die A-Cappella-Gruppe „Octavians“ aus Jena versprach ein ganz spezielles Konzert: mit akustischem Gesang in historischer Architektur, der sich auf berühmte Vorbilder zumindest beruft.

Die Frage, die sich mir dabei nur stellte: Macht das Kellinghusener Publikum diesen erneuten Schwenk auf eine weitere Musikrichtung auch mit? Oder ist es nicht etwas viel verlangt, nach Klezmer, Folk, Singer/Songwriter, Rock und Blues nun auch noch ein weiteres Genre zu präsentieren?

Diese Befürchtung bewahrheitete sich zumindest nicht: Trotz herbstlicher Dunkelheit, trotz Regen und Wind draußen war die Kirche am Auftrittsabend drinnen gut gefüllt, eine dreistellige Besucherzahl wohl erreicht. Das stimmte auch die „Pep“-Mitglieder zufrieden.

Und das war – wie sich heraus stellte – auch gerechtfertigt, gehören die „Octavians“ doch zu den „bekanntesten Vokalensembles Deutschlands“, wie „Pep“-Vorsitzender Oliver Zantow zuvor beschrieb. Und schnell zeigte sich auch, warum das so ist, denn sie beherrschen nicht nur humoristisches wie erntes, weltliches wie geistliches und klassisches wie modernes Liedgut, sondern sind als ausgebildete Sänger auch mehrfacher Preisträger verschiedener Wettbewerbe. So etwas passiert ja auch nicht ohne Grund.

Das Ensemble besteht allerdings auch schon eine Weile, wie man dazu sagen muss, es ging bereits 2006 aus dem Knabenchor der „Jenaer Philharmonie“ hervor. Seitdem haben die stimmlich ausgebildeten Sänger ihr Repertoire in den 17 Jahren ihres Bestehens stetig erweitert und verfeinert.

„La-la-la-la-live goes on“: Die A-Cappella-Gruppe „Octavians“ aus Jena gab auch in der besonderen Akustik der St. Cyriacus-Kirche „typisch deutsches Liedgut“ zum Besten (v.l.): Matthias Mäurer, Christian Gaida, Friedmar Hoppe, Johannes Schleußner, Christian Korhammer und Clemens Risse.

Eine ihrer Besonderheiten, deren Vorzüge man auch ohne allzu viel Ahnung von Gesangskunst erkennen kann: Sie verfügen über gleich drei Countertenöre, die der Gruppe eine umfangreiche Klangfarbe verleihen und es ihr ermöglichen, ein Spektrum vom höchsten Sopran bis zum tiefen Bass zu intonieren. Ihr Repertoire erstreckt sich über acht Jahrhunderte. Entsprechend umfangreich war auch ihre Setlist des Abends.

Der Kellinghusener Kantor Christoph Jacobi wies vor dem Konzert zudem noch auf die „klare Akustik“ in der Kirche hin, „die ohne großen Nachhall ein klares Hörerlebnis ermöglicht. Der Klang in dieser Kirche sei „sehr direkt“, denn „wir haben hier einen trockenen, schlichten Bau, ohne große Schörkel“, die erfahrungsgemäß den Klang eher schlucken würden.

Bei der hohen Deckenhöhe sei genug Resonanzraum vorhanden, damit die Stimmen ihre Wirkung entfalten können, ohne aber in der Weite des Raumes zu verhallen. So brauche das Gesungene auch nicht verstärkt zu werden. „Man hört auch hinten noch gut.“ Die Erfahrung habe gezeigt, dass man hier „musikalisch vielfältig arbeiten“ könne.

Seit 2012 mit drei Tonträgern ausgestattet, die ihr Repertoire dokumentieren, können die „Octavians“ ihre Konzerte sehr vielseitig gestalten. Dass im Jahre 2013 ihre zweite CD mit dem Titel „Goldene Zwanziger“ – eine Hommage an die Comedian Harmonists“ erschien, ließ schoneinmal die Machart ihres Gesangs auch für diejenigen erahnen, die sie noch nicht kannten. Und hat bestimmt einige der Zuhörer dazu animiert, sich das Konzert anzuhören.

Da dieses Album auch moderne Stücke des Swing und Jazz beinhaltet und sie auch schon eine Weihnachts-CD veröffentlichen, ist ihrer musikalischen Vielseitigkeit Tür und Tor geöffnet.

Und die insgesamt acht Sänger haben in ihrem Metier auch schon jede Menge an Lorbeeren geernet. Gleich zu Anfang, im Mai 2010, gewannen sie den 1. Preis beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, und es folgten noch viele weitere, auch im Erwachsenenalter. Internationale Tourneen führten sie durch Europa, aber auch im Auftrag des Goethe-Instituts nach Tunesien und China.

Dem Anlass angemessen traten an diesem Abend sieben der acht Herren auf – in dunkelblauen Anzügen mit blauer Fliege und weißem Einstecktuch. In der ersten Reihe hatte auch der Manager des Ensembles, Christian Hacker, mit Begleitung Platz genommen. Er betonte, dass die Sänger es bei allem Engagement nicht hauptberuflich machen, sondern über das Jahr verteilt jeweils an Wochenenden etwa 30 A-Capella-Reisen unternehmen, im Herbst in kleinerem Rahmen.

Musik und Programm seien untereinander klar, und sie können sich schnell auf bestimmte Lieder verständigen und brauchen sich nicht lange darüber zu unterhalten, denn ihr Programm soll vor allem authentisch sein. Auch eine gute Voraussetzung für eine glaubhafte Darstellung des Gebotenen, wie ich fand.

Nun war er selbst überrascht, was für eine „Klarheit und Homogenität“ in der Kirchenumgebung herrschten. „Man sieht, dass alle Spaß haben.“ Im leichten Nachhall konnte sich der Klang gut entfalten, und durch den Wandbogen, der sich bis an die Decke erstreckt, geht der Schall nach vorne und nicht nach hinten weg.

Die Sänger haben ein festes Programm, das immer mal wieder wechselt, das aber Stücke enthält, die sie immer begleiten, wie der Manager beschrieb. Das Programm an diesem Abend haben sie abgestimmt auf die Location: „In Kirchen singen wir vielleicht nicht so viele Trinklieder.“ Für mich nicht unbedingt zwingend, aber irgendwie verständlich.

Den Schalk im Nacken: Die Sänger berichteten von einem ungewöhnlichen Auftritt in China und Verwechslungsgefahr mit den „Beatles“.

Ihre Mischung aus sakralen und weltlichen Liedern mit ein paar Pop-Songs konnte gefallen und hat vor allem die Vielseitigkeit und die stimmlichen Möglichkeiten der Sänger hervor gehoben. Auch dass zwischen den einzelnen Liedern ein Sangesmitglied jeweils auf der Kanzel eine Geschichte erzählte, mit der das Lied für sie verknüpft ist, konnte gefallen. Waren es im ersten Teil noch eher getragene, teils sakrale Lieder, so wurde es im zweiten dann lockerer. Vor allem einige ihrer Schwerpunktsongs kamen hier gut an.

Das Lied „If you love me“ gab einen Eindruck über die Hörgewohnheiten der englischen Renaissance, das „Ännchen von Tharau“, ein volkstümliches Lied von Simon Dach aus dem Ostpreußen des 17. Jahrhunderts, besingt in 17 Strophen Anna Neander, die Tochter des Tharauer Pfarrers – wobei es die „Octavians“ publikumsfreundlich bei einigen weniger bewenden ließen. „Loch Lomond“, ein schottisches Traditional, wurde um 1841 über den größten See Schottlands und Englands komponiert.

Wieder im Hier und Jetzt angekommen fühlte sich das Publikum bei moderneren Liedern wie etwa „Fields of gold“ von Sting oder „Scarborough Fair“, ein traditionelles englisches Volkslied eines unbekannten Autors, das durch das US-Gesangsduo Simon & Garfunkel (1966) bekannt wurde.

Bedächtig ging es her bei dem Mut machenden Song „Peace in the valley“ von Elvis Presley, der von einem Volksaufstand und der daran anschließenden Hoffnung auf Frieden handelt. „Wir denken damit an jene Zeit in den Konflikten dieser Tage“, erläuterte Christian Hacker.

Schließlich gab uns der Chor auch noch eine Kostprobe seines eigenen Humors zum Besten. Bei ihrem Auftritt in China in einer Großstadt mit 20 Millionen Einwohnern sei „alles etwas größer“ gewesen, wie der Sänger auf der Kanzel schilderte, selbst der Unterbezirk, in dem sie aufgetreten sind, hatte zwei Millionen Einwohner. „Wir sangen gemeinsam mit dem chinesischen Gastgeberchor im Stadion mit 10000 Plätzen – die waren auch alle besetzt.“

Zum Schluss gab’s ’ne artige Verbeugung: Die „Octavians“ erhielten nmach eineinhalb Stunden und drei Zugaben lang anhalenden Applaus.

Nun wollten die fernöstlichen Gastgeber, dass beide Chöre etwas Typisches aus ihrer Heimat singen: die Chinesen ein typisches Lied, das die chinesische Kultur und das chinesische Wesen wiedergibt, und der deutsche Chor ein Lied, das das typisch deutsche Wesen wiederspiegelt.

„Sie machten sich kundig, recherchierten auf unserer Homepage, bezogen die verschiedensten Aspekte ein – und entschieden sich schließlich für ein Lied, das wir singen sollten, das die typisch deutsche Art für sie und für alle sichtbar wieder spiegelt. Es wurde: „Obladi Oblada“ (im Original komponiert und gesungen von den „Beatles“!). Aber ihr Wunsch war ihnen Befehl und sollte nun auch dem Kellinghusener Publikum nicht vorenthalten werden. In diesem Sinne: „… La-la-la-la-life goes on!“

Ludger Hinz